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Am 05. November 2011 berichtete Archäologie Ulrich Wiegmann über Ausgrabungen in Begleitung des Baus der Versorgungsleitungen zur Erstaufnahmeeinrichtung Wünsdorf. Seinen Vortrag überschrieb er dann auch „Wünsdorf Halbmondlager und Moschee“.

Er leitete den Vortrag mit einer kurzen Darstellung der historischen Hintergründe für die Existenz des Halbmondlagers und der Moschee ein. In dem Kriegsgefangenenlager waren hauptsächlich islamische Gefangene aus den ehemaligen britischen und französischen Kolonien interniert. Aber auch Inder und Gefangene aus der russischen Armee lebten hier.

 

Das Ziel der Internierung dieser Menschen bestand darin, sie dafür zu gewinnen, gegen ihre Kolonialmächte, die ja zugleich die Feinde Deutschlands waren, zu kämpfen. Sultan-Kalif des Osmanischen Reiches rief die Muslime, die als Soldaten aus den Kolonien auf Seiten Englands und Frankreichs kämpften, zum Dschihad, zum Heiligen Krieg, gegen ihre Kolonialherren auf.

Über das Halbmondlager wurde schon viel geschrieben. Auch eine Zossenerin, Heike Liebau, forscht und publiziert über das Leben der Kriegsgefangenen im Lager. Auf Deutschlandradio Kultur hat sie wesentliche Ergebnisse ihrer Forschung zusammengefasst.

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http://www.deutschlandradiokultur.de/tonaufnahmen-von-kriegsgefangenen-die-stimmen-der-welt.1001.de.html?dram:article_id=335039

Erst 2015 konnte durch Ausgrabungen unter Leitung von Prof. Dr. Reinhard Bernbeck, Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin, der genaue Standort der ehemaligen Mosche bestimmt werden.

Sprachwissenschaftler, Ethnologen und Musikforscher, so Wiegmann, nutzten die Gelegenheiten für ihre Forschungen. Sie brauchten jetzt nicht mehr um die Welt zu reisen, sondern hatten Vertreter der verschiedenen Ethnien konzentriert an einem Ort zusammen. So entstanden unter Leitung des Sprachwissenschaftler Wilhelm Doegen, einmalige Tonaufnahmen auf Tonplatten. Seit etwa 2000 werden die Texte der Lieder und Berichte ins Deutsche übersetzt.

Für die Erstaufnahmeeinrichtung musste eine neue Versorgungsleitung gelegt werden, jetzt kommt das Team von Ulrich Wiegmann ins Spiel. Er und seine Mitarbeiter untersuchen den freigelegten Boden. Da jedoch hier bereits früher Versorgungsleitungen verlegt wurden, fanden sie nur einen schmalen, seit der Zeit des Halbmondlagers unversehrten, Streifen vor.

Ob Wissenschaftler, die das Leben im Lager erforschen, ob die Übersetzer der Aufnahmen auf Platten und Walzen, ob Archäologen, die nach Gegenständen, Gebäuderesten und menschlichen Hinterlassenschaften suchen, alle verbindet ein Ziel, sie möchten der Vergangenheit ein Gesicht und eine Stimme geben.

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Gefunden haben Wiegmann und seine Mitarbeiter zwar nicht allzu viel, jedoch darunter doch einige Gegenstände und Mauerreste, die unsere Erkenntnisse über das Halbmondlager erweitern und vertiefen. Da waren die Gruben, in denen die Asche aus den Heizöfen vergraben wurden. Ein Metallbruchstück konnte nach Vergleichen mit Kanonenöfen aus EBAY und Fotografien aus dem Lager als Fuß eines solchen Ofens identifiziert werden. Die Oberfläche gefundener Schamottesteine lässt den Schluss zu, dass die Öfen oft überhitzt waren. Dies war angesichts der nicht isolierten Holzwände der Lagerbaracken und der strengen Kriegswinter auch kein Wunder.

Ein Stück Abwasserrohr enthält die Aufschrift Firma Palko, Bitterfeld, 200mm. Diese Firma existiert heute nicht mehr, aber immerhin rüstete sie Moskau mit Versorgungsrohren aus. Zu den Fundstücken gehören auch Spanneisen von der Holzkonstruktion der Moschee, die Tasse einer Feldflasche der österreich-ungarischen Armee, ein Flaschenverschluss mit der Aufschrift „Bayerische Brauerei Cottbus. Wiegmann hatte angenommen, bei den Grabungen auch auf Fundamentreste der Baracken zu finden. Doch lange Zeit nichts. Doch dann doch noch das Fundament einer Baracke.

So wurde wieder ein Stück Geschichte weitergeschrieben und die Besucher an diesem Nachmittag haben aus erstem Munde davon erfahren. Danke Ulrich Wiegmann.

Oft weist die Geschichte Verläufe auf, in denen sich scheinbar Kreise schließen. Genau hundert Jahre später leben an gleicher Stelle wieder islamisch Gläubige.

Mehr zur Geschichte des Halbmondlagers können Sie hier erfahren:

WIKIPEDIA https://de.wikipedia.org/wiki/Halbmondlager

Artikel über den Film „The Halfmoon Files“ (2007)

http://www.spielfilm.de/filme/902384/the-halfmoon-files

Dieser Artikel enthält auch Textpassagen aus den Tonaufzeichnungen im Lager.

Spiegel-Online. In diesem Beitrag können Sie drei digitalisierte Aufnahmen aus dem Lager aufrufen. http://www.spiegel.de/einestages/halbmondlager-die-erste-deutsche-moschee-in-wuensdorf-a-1043358.html. Dazu auch eine Fotostrecke unter: http://www.spiegel.de/fotostrecke/moschee-wuensdorf-erstes-deutsches-gotteshaus-des-islam-fotostrecke-128071-6.html

Auch DIE ZEIT widmet dem Lager und seinen historischen Hintergründen einen ausführlichen Artikel.

http://www.zeit.de/2016/45/wuensdorf-fluechtlinge-lager-1-weltkrieg-afd

https://www.youtube.com/watch?v=LmyxzZC_YZU

Text und Fotos: Dr. Rainer Reinecke

Für Internet aufbereitet: Oliver Andrae.

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