2018 05 05 01Am 5. Mai, um 7 Uhr, in aller Herrgottsfrühe, fanden sich fünfundzwanzig Wanderfreunde am Funkmast auf dem Galgenberg zur diesjährigen kulturhistorischen Frühwanderung ein. Die Vorsitzende des Heimatvereins Karola Andrae begrüßte die Wanderfreunde bevor Heimatforscher Klaus Voeckler grausige Geschichten über Hinrichtungen, die hier in der Nähe stattgefunden haben, erzählte. Um dazu verlässliche Aussagen treffen zu können recherchierte er Im Brandenburger Landeshauptarchiv, im Geheimen Staatsarchiv, in Kirchenbüchern und in der einschlägigen Literatur.

Auf dem Galgenberg.
Der Ausgangspunkt der Wanderung, war also zu gleich die erste Station für tiefere Einblicke in die Geschichte. Hier in der Nähe fanden vom 16. Bis 18. Jahrhundert öffentliche Hinrichtungen statt. Über den Zossener Galgenberg seien bisher kaum Nachrichten vorhanden gewesen. Eine knappe Mitteilung in der Chronik von Louis Günther und Knochenfunde beim Sandholen hätten darauf hingewiesen.
So erfuhren die Teilnehmer einiges über die Entwicklung der Gerichtsbarkeit im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Kaiser Karl der V., der das Ziel verfolgte, Selbstjustiz zu unterbinden, führte die Constitatio Criminales Carolina (CCC), die Halsgerichtsordnung ein. Auf den Reichstagen 1530 in Augsburg und Regensburg 1532 schwor er die Fürsten auf die CCC ein. Jedoch nicht alle sollen sich darangehalten haben.
Anhand von vier Fallbeispielen zeichnete Klaus Voeckler die Vorgänge von der Denunziation (Anzeige) über Inhaftierung, Urteilsfindung bis zum Vollzug der Hinrichtung auf. Einige dieser Beispiele sind in den Publikationen Klaus Voeckler, Unser Zossen – Kulturhistorische Wanderungen durch die Stadt, ISBN 978-3-8313-1943-5, Herausgeber Heimatverein „Alter Krug“ und Klaus Voeckler, Nicht nur Sumpf und Sand – Ein Beitrag zur Heimatgeschichte Nächst Neuendorfs, Herausgeber Stadt Zossen/Nächst Neuendorf beschrieben.

2018 05 05 02Am Ort einer Katastrophe
Am Fuße des Galgenberges, kurz vor Schöneiche erzählte, Klaus Voeckler die Geschichte der Sandsturmkatastrophe von 1817. Freie Flächen auf den Höhenlagen südwestlich von Schöneiche waren derart überweidet, das dort, kein Wald, kein Strauch und keine Wiese mehr wuchsen. Ein vierzehntägiger Sturm im Frühjahr 2017 wehte den jetzt freiliegenden märkischen Dünensand von den Wierachbergen bis in die Häuser, Dünen türmten sich auf, die gerade bestellten Felder wurden mit einer bis zu 2,40m hohen Sandschicht bedeckt. Zwei Drittel der Flächen der Bauern waren durch den Sandsturm geschädigt.
Ein Hilfegesuch an die königliche Regierung wurde zunächst abgelehnt. Doch dann ließ der König eine Kommission bilden. Diese machte sich vor Ort ein Bild und ließ alle Schäden akribisch erfassen. Dies genügte jedoch nicht, so wurden Gutachter beauftragt, die Schäden erneut festzustellen. Die Bürokratie verhindert die Hilfe bis 1820. Damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederhole, wurden die Bauern beauflagt, die kahlen Flächen zu bepflanzen. Die Bauern hatten jedoch gar kein Pflanzgut. Als dann Pflanzgut vorhanden war und eingeschlagen für die Bepflanzung bereit lag, wurde es gestohlen. Eine Pflanzwache sollte weitere Diebstähle verhindern. So dauerte es etwa drei Generationen bis die Schäden beseitigt waren.

Auf dem Friedhof von Schöneiche
Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden auch in Zossen Einheiten des Volkstums gebildet. Klaus Voeckler hatte noch Gelegenheit mit Zeitzeugen zu sprechen. Die Erfassungsstelle befand sich am Kietz. Die Jungen und Alten wurden in Uniformen gesteckt, an denen lediglich die SS Runen abgetrennt waren. Nach einer Schnellausbildung erhielten sie Karabiner und Panzerfäuste. Dieses letzte Aufgebot kam zu Hitlers Geburtstag am 20. April 1945 zum Einsatz. Dieses letzte Aufgebot sollte die aus Baruth heranrückenden Truppen der Roten Armee aufhalten. Als die Panzer der Roten Armee Wünsdorf erreichten, versuchte sich die Volkssturmeinheit nach Schöneiche durchzuschlagen.

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WIR GEDENKEN IN EHREN
DER AM 22.4.1945BEIM EINMARSCH
DER ROTEN ARMEE VOR DIESEM FRIEDHOF
IM ALTER VON 15 JAHRENEN GEFALLENEN
UND HIER BESTATTETEN 22 DEUTSCHEN SOLDATEN,
DER § ERSCHOSSENEN UND 5 IN DEN FREITOD
GEGANGENEN BÜRGERINNEN UND BÜRGER
UNSERER GEMEINDE,
DES 1943 BEIM MUNITIONSFUND TÖDLICH
VERUNGLÜCKTEN JUGENDLICHEN POLNISCHEN
ZWANGSARBEITERS J. URBANEK,
DES 1945 IN DEUTSCHER KREIGSGEFANGENSCHAFT
GESTORBENEN FRANZÖSICHEN
SOLDATEN PHILIPPE ACKER,
IHR TOD SOLL UNS ZUGLEICH MAHNUNG
UND VERPFLICHUNG SEIN.

Ein Vortrupp sollte die Lage erkunden. Hinter sich hörten sie Gefechtslärm. Bald wurden sie von Soldaten der Roten Armee entdeckt und eigekreist. Ein Unteroffizier erhielt dabei einen Bauchschuss. So liegen heute auf dem Friedhof zweiundzwanzig Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren. Fünfzehn fanden ihre letzte Ruhe unter Grabsteinen mit der Aufschrift „Unbekannter Soldat“.
Dem ehemaligen Bürgermeister Erwin Rust sei es zu verdanken, so endete Klaus Voeckler seine Ausführungen, das heute ein Gedenkstein daran erinnert und gleichzeitig mahnt.

2018 05 05 06Zum Abschluss hatten Klaus Andrae und Sohn Frank wieder mit heißen Bockwürsten, Kaffee und

Tee zu einer Stärkung der „erschöpften“ Wanderer eingeladen.

Text und Fotos: Dr. Rainer Reinecke

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