2011-03-12

Schreiben lernen, aber wie?
Der Conrector der Stadtschule von Zossen schreibt 1868 dazu eine Aufsatzlehre

2011 03 12 02Für alle Lehrer und Schüler, die nach Rat beim Lehren und Lernen von Rechtschreibung und Grammatik suchen, birgt das Schulmuseum in Zossen einen Schatz.

Der aus Wendisch Buchholz, heute Märkisch Buchholz, stammende Ferdinand Ludwig Fischer verfasste 1868 eine Aufsatzlehre für Volksschulen. Am 27. Und 28. März 1833 hatte Fischer seine Prüfung im Schullehrerseminar zu Potsdam abgelegt und wurde für anstellungsfähig im Volksschulamte erklärt. 46 Jahre unterrichtete Fischer an der Schule neben der heutigen Stadtbibliothek, davon 42 Jahre als Conrector (stellvertretender Leiter).

Mit dem Leben und Werk des Ferdinand Ludwig Fischer hat sich sehr eingehend die Leiterin des Schulmuseums, Gudrun Haase, selbst ehemalige Lehrerin in Zossen, befasst.

Über einen Hinweis gerade auf dieses Buch: „Aufsatzlehre für Volksschulen“ ist sie auf Fischer aufmerksam geworden. Eine Schulchronik existierte nicht mehr, aber im Brandenburgischen Hauptarchiv wurde sie dann fündig. Wesentliche Erkenntnisse ihrer Recherchen hat sie im Heimatjahrbuch Teltow-Fläming 2010 veröffentlicht. Ein Stück Kulturgeschichte unserer Stadt wurde so neu geschrieben.2011 03 12 01

Als ehemalige Lehrerin weiß sie natürlich um die Sorgen und Nöte der Lehrer und Schüler im Umgang mit Rechtschreibung und Grammatik. Jeden, der mit dem geschriebenen Wort, ob als Leser oder Schreiber, bewusst umgeht, wird diese Aufsatzlehre von 1868 irgendwie faszinieren. Wie der bewusste Umgang mit dem geschriebenen Wort schrittweise, und ohne Schrecken vor Rechtschreibung und Grammatik für die Schüler, gelehrt werden soll, beschreibt Fischer in dieser Anleitung für Lehrer.

So empfiehlt er für die Korrektur von Schülerarbeiten ohne Textvergleichsmöglichkeiten: „Die orthographischen Fehler sind zu unterstreichen und von den Kindern zu berichtigen, wohingegen die falschen Ausdrücke und Wendungen vom Lehrer selbst in die Arbeit geschrieben werden müssen.“ (S. 13) Bis heute hat sich daran fast nichts geändert. Großeltern, Eltern und heutige Schüler kennen diese Unterstreichungen der Lehrer. Nicht selten fiel die Berichtigung genau so lang aus, wie die Nacherzählung oder der Aufsatz selbst, weil die Wörter drei Mal richtig geschrieben werden sollten. Das Hineinschreiben der richtigen Ausdrücke und Wendungen sparen sich heute die meisten Lehrer. Ein rotes „A“ am Seitenrand tut es auch.

Die meisten Schüler, gestern wie heute, konnten bald die Wörter richtig schreiben, aber da ist ja noch der nächste Fallstrick, die Zeichensetzung. „In der ersten Zeit“, wenn Schüler beginnen, Nacherzählungen zu schreiben, „wird dies allerdings seine Schwierigkeiten haben, nach und nach gewöhnen sich aber die Kinder daran und eignen sich auf diese Weise die richtige Setzung der Zeichen schon durch das Gefühl an.“ (S 13)
Wer kennt nicht die Satzanalysen verschachtelter Sätze, in denen schon Subjekt und Prädikat schwer zu finden sind. Für ein derartiges Zerlegen der Sätze reicht aber die Zeit der Unterrichtsstunde beim Aufsatzschreiben nicht aus, also Zeichensetzung nach Gefühl. Wer aber der Zeichensetzung nicht den genügenden Raum in seinem Gefühlsleben einräumt, hat auch so seine Sorgen damit. So kommt es, dass die die Zeichen oft nach Gutdünken gesetzt werden.
Vielleicht hätte Ferdinand Ludwig Fischer dies, in unserer schnelllebigen Zeit, auch gelten lassen.

pdficon smallArtikel von Gudrun Haase im Heimatjahrbuch Teltow-Fläming 2010

Text und Fotos: Dr. Rainer Reinecke

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