Zehn Thaler aber für die Küsterfrau, so heisst es in einem Schreiben von König Friedrich Wilhelm II. vom 28. März 1797.
Ich fand bei meinen Recherchen zur Geschichte der Zossener Schule an den Inspector Bauer zu Zossen gerichtet. .... sowol wegen Anstallung des Küsters als 3. Lehrer als wegen Verteilung der bewilligten jährlichen 60 Taler. Von diesen 60 Talern erhält also der Küster selbst 40 Thaler als Gehalt, und 5 Thaler als Miethe; 10 Thaler aber für die Küsterfrau, wegen des von ihr in weiblichen Arbeiten zu erteilenden Unterrichts, ohne daß gerade in der Folge die Frau des Küsters notwendig dazu gewählt werden muß, sondern nur dann, wenn sie sich vor anderen dazu qualifiziert; 5 Taler aber bleiben zu Eurer eigenen Disposition, um dafür Schulbücher für arme Kinder anzuschaffen.
Wie kam es zu dieser besonderen Zuwendung von 60 Talern für das Schulwesen der Stadt Zossen?
Im Jahr 1795 hatte Carl Friedrich Bauer die Stelle des Inspectors (heute Superintendent) in Zossen übernommen und übte auch die Aufsicht über das Schulwesen aus. Er war ein für seine Zeit sehr fortschrittlicher Mann, und erstritt mit vielen Bittgesuchen von der Königl. Regierung Unterstützung. Er fand die Zossener Stadtschule in einem katastrophalen Zustand vor und verwendete seine ganze Kraft darauf, die Schulverhältnisse in Zossen und den von ihm verwalteten Dorfschulen zu verbessern. Er wandte sich mit folgender Bitte um Hilfe an die königliche Regierung:
"Flehentlich bitte ich daher Eur. Königl. Majestät zum Behuf eines besseren Unterrichts in der
Zossenschen Schule und zu ihrer besseren Einrichtung jährlich eine kleine Summe, die ich
nicht zu bestimmen wage, zur Bestreitung der Miethe für eine dritte Schulstube und -
zur Gehaltsverbesserung der Lehrer, besonders des Küsters (der bei einer neuen hoffentlich
allergnädigst zu approbierenden Einrichtung den größten Teil seiner Zeit der ihn nährenden
Arbeit als Schneider entziehen müßte) aus besonderer Huld und Gnade zu bewilligen. Ich hoffe!!"
Werfen wir einen Blick auf die Zossener Schulverhältnisse. Da schreibt er:
"Der Hauptfehler der Zossenschen Stadtschule liegt in der Menge Kinder, die nicht Raum haben, nicht befähigt sind, nicht übersehen werden können . Der schulfähigen Knaben befinden sich nach genauerer Berechnung 90-100, von diesen mögen wohl ohngefähr 60 in die Schulstube zusamengeschichtet werden können, wenn man die düstern Winkel, den engen Platz hinter dem heißen Ofen und die Thürschwellen mit zur Hilfe nimmt. Die Übrigen bleiben zum Theil aus der Schule, zum Theil werden sie heimlich nach Dorfschulen geschickt, und dazu muß ich schweigen.
Der schulfähigen Mädchen sind ohngefähr eben so viel wie der Knaben. Diese finden in der größeren Mädchenklasse ziemlich Platz, aber eingezwängt müssen sie doch auch werden.
Das 1724 erbaute Schulhaus hat zwei Stockwerke. Im untersten wohnt links der zweite oder Mädchen-Schullehrer, rechts ist die zweite oder Mädchenschulklasse. Im zweiten Stockwerke, zu dem eine elende Treppe hochführt, links der Rector, und rechts ist die sehr kleine Knabenschulklasse, die durch einen Holzstall des Rectors verengt ist. Die Knaben können nicht alle in die Schule gehen, weil sie nicht Raum haben und einige nicht bemerkt werden können. Diese armen Kinder, die alle Schulstunden unthätig hinbringen müssen, weil sie kein Licht haben, und wegen der Hitze des Ofens, und wegen ihrer Unthätigkeit die beklagenswürdigsten Geschöpfe. Ihr Schicksal ist trauriger als das Los der Zuchthäusler.- Die übrigen sind enge zusammengeschüttet. Im Jammer sieht die Stube kläglich aus! Auch hat sie so wenig Licht, daß ein Theil der Knaben ganz im Finstern sitzt."
Zu dieser Zeit gab es etwa 100 schulpflichtige Jungen und ebensoviele Mädchen.
Neben dem Rector, der den Unterricht in der Knabenklasse erteilte, unterrichtete ein zweiter Lehrer die Mädchenklasse. Vormittags von 8 - 11 Uhr, nachmittags von 1 - 3 Uhr. Der Küster, der als Schneider den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdiente, unterrichtet nur im Winter nachmittags die Knabenklasse. (Das ist die Zeit, in welcher der Rector mit einem Teil den Konfirmandenunterricht erteilte und Geschäfte der Kirche erledigen musste.) Hier lehrte er die kleinen Knaben das Lesen und Schreiben.-
Bauer schreibt:
"Der Rector Schernhauer ist nach 22 Dienstjahren und im Alter von 50 Jahren völlig invalide, seine Sehkraft ist stark geschwächt, er ist schwerhörig und von Gicht geplagt. Trotz einer eigenen sehr guten Handschrift und wissenschaftlicher Kenntnisse ist er nicht in der Lage, die Kinder das Lesen und Schreiben zu lehren und die Knabenklasse ist in verwildertem Zustand.
Siebzig bis achtzig Kinder in einer Klasse ist ein allgemein anerkanntes Übel.- Nicht zu gedenken, daß sie an ihrer Gesundheit leiden müssen, so ist`s für einen schwachen Lehrer
unmöglich, alle in Ordnung zu erhalten. - Der thätigste Lehrer kann nicht alle beschäftigen, und lebhafte Kinder ohne Beschäftigung - verfallen auf strafbare Gedanken und Handlungen - überdies kann keine Lection gehörig vorgenommen werden. - Der Mädchenschullehrer ist gewiß ein thätiger
Mann; aber die Menge der Kinder von so verschiedenen Fähigkeiten und Bedürfnissen lassen ihn nicht die Freude sehen, daß sie so viel lernen, als sie bei seiner Bemühung lernen könnten.
Die einzige jetzt und bald mögliche, am wenigsten kostbare und gewäß sehr vortheilhafte Verbesserung wäre nach meiner Einsicht die Eintheilung der Schule in drei Classen."
Durch diese 60 Taler konnte nun eine dritte Klasse geschaffen werden.
"Ein segensreiches Geschenk. Die Schule ist dadurch ihrem Ruin entrissen; durch die Absonderung der Klassen ist zunächst für die Gesundheit der Kinder gesorgt; der Elementarunterricht macht schnellere Fortschritte; in den Umfang des Unterrichts konnte mehreres aufgenommen werden, was der Jugend zu wissen nöthig ist, die Kinder finden sich zahlreicher ein.
Die dritte und stärkste Klasse, welche die Anfänger, ohngefähr 100, enthält, ist gut versorgt durch den neuen Küster Starke, zugleich Lehrer im Singen für die erste Klasse. - Mit der dritten Klasse ist nun Arbeitsstunde für weibliche Schülerinnen unter der Aufsicht der Mutter des Küsters verbunden, eine Einrichtung, die man zu benutzen sucht.
Die zweite Klasse (der erwachsenen Mädchen) hat an dem Organist Winzer einen treulichen Lehrer. In dieser Klasse ist für den Schulfreund Freude zu ernten."
Nach der nun möglichen Neuordnung und der Einstellung des Rectors Beneke 1798 berichtet Bauer:
"Überhaupt zeigt sichs, daß bei einer Zahl von 190 - 200 Kindern 3 Lehrer zu wenig sind.
Der Rector Beneke hat nun die Schule so umgeschaffen, daß man die jetzige Verfassung, wenn man nicht Zeuge der allmählichen Umänderung gewesen wäre, für die Folge eines Wunders ansehen möchte. An die Stelle der fast ganz unbeschreiblichen Unordnung, des häßlich ungesitteten
Betragens, der Faulheit und Dummheit, ist jetzt ein ganz anderer Geist getreten, der die Kinder der ersten Klasse zu pünktlicher Ordnung, zu angestrengtem Fleiße, der ihnen Freude macht, und ihre Kenntnisse und Geschicklichkeiten mit jedem Tag fühlbar erweitert, und zu einem sehr gesitteten Verhalten ermuntert."
Dem Wirken von Inspektor Bauer und seinem regen Schriftverkehr mit der Königl. Regierung ist zu verdanken, dass in Zossen 1800 durch eine jährliche Zuwendung von 50 Thalern eine Industrieschule eingerichtet werden konnte und der König Friedrich Wilhelm II. 1804 eine Summe von 4000 Thalern für den dringend notwendigen Schulneubau zur Verfügung stellte. Der Bau konnte aber erst 1806 begonnen werden. Bauer verfasste auch regelmäßig Beiträge zu der jährlich erscheinenden Zeitschrift "Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der Mark" des Herausgebers Kosmann. Unter merkwürdigen Begebenheuten seiner Inspectionstätigkeit berichtete Bauer auch dort über Verfahren über eine merkwürdige Düngungsart in der Landwirtschaft . Er veröffentlichte eine Sammlung von Idiotismen, sprachlichen Begriffen des einfachen Mannes. Diese waren im Raum Zossen in Gebrauch und er erklärte sie, "... damit Richter, Prediger und Ärzte die völkstümliche Sprache verstehen". Die Vollendung des neuen Schulhauses 1818 erlebte Bauer nicht mehr,. Er verstarb bereits 1809 inmitten aller Schaffenskraft an einer tückischen Krankheit. Das Zossener Schulwesen hat ihm sehr viel zu verdanken.
Gudrun Haase
Leiterin Schulmuseum Zossen