Heimatverein "Alter Krug" Zossen e.V.

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2019 02 09 Bolle 05Karl-Heinz Bannasch, Vorsitzender des Spandauer Geschichtsvereins, breitete vor den Besuchern der Veranstaltung die Geschichte der Person Carl Bolle und seiner Firma aus.
Doch bevor er loslegte, verließ er noch einmal den Raum, um noch etwas aus dem Auto zu holen.
Diese Zeit nutzte Vereinsvorsitzende Karola Andrae, um auf die nächsten Veranstaltungen anzukündigen.
Dann erschien Karl-Heinz Bannasch mit Frack, Zylinder, Stock und natürlich mit der Bolle-Klingel, fehlte nur der Bart. Frack und Stock seien Originale aus der Zeit des Carl Bolle, so Bannasch.

Carl Andreas Julius Bolle (* 1. September 1832 in Milow; † 28. September 1910 in Berlin) der Gründer und Besitzer der

traditionsreichen Meierei C. Bolle, wurde als sechstes Kind der Familie Andreas Bolle und dessen zweiter Ehefrau geboren. Der Vater ertrank als Carl Bolle vier Jahre alt war in der Havel, seine Mutter verstarb wenig später. Nach einer Lehre als Maurer ging er mit 19 Jahren auf Wanderschaft. Er erkrankte jedoch so sehr, dass er heimkehren musste.

 

 

Im Folgenden einige Episoden aus dem Vortrag:

Bolle und Religion

In Milow nahm sich der Pfarrer Bolles an und unterrichtete ihn in Mathematik und Latein und natürlich in Religion. Carl Bolle wurde zu einem tiefgläubigen Menschen, der sich später vor allem auch für seine Angestellten sozial engagierte. So entstand ein sehr widersprüchliches Bild auf der einen Seite ließ er Kinder für sich arbeiten, auf der anderen Seite sorgte er auch für Ferienaufenthalten. Auch Seine Angestellten, die immer unter hohem Leistungsdruck

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standen, konnten in einer seiner Villen Urlaubstage verbringen. Diese Widersprüchlichkeit lässt sich nur aus der Zeit heraus verstehen.
Für seine Angestellten war der samstägliche Gottesdienst verpflichtend. Dazu hatte C. Bolle extra einen evangelischen Pfarrer eingestellt und eine eigene Kapelle errichtet. Wer zum Gottesdienst nicht erschien musste mit eine Lohnabzog von 50 Pfennig bis 1 Mark bei einem Wochenverdienst von 3,90 Mark rechnen.

Mokka - Milch - Eisbar

Die Mokka - Milch - Eisbar vielleicht undenkbar ohne den ersten von C. Bolle gegründeten Milchgraten.

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                      Foto Bolle Festschrift 1961 nach Internetauszug

 

 

Bauernkredite und Milchpreise

C. Bolle gewährte den Bauern Kredite für notwendige Investitionen, brachte so die Bauern hinter sich und erhielt bald eine Monopolstellung bei der Milchabnahme. So diktierte er dann auch die Milchpreise. Als die Bauern dies nicht mehr akzeptieren wollte versuchte Bolle Milch von Böhmischen Bauern zu bekommen. Dies schlug jedoch fehl, so dass die einheimischen Bauern ihre Einkommen aus dem Milchverkauf etwas aufbessern konnten. Entstehende Ähnlichkeiten zu heute sind nicht zufällig.

Frischmilchtransport aus den umliegenden Dörfern eine logistische Herausforderung

Angefangen hatte alles 1881 mit drei Bolle-Wagen, Pferdewagen mit Zentrifuge. Die in Frankreich vorhandenen Zentrifugen wurde durch C. Bolle gemeinsam

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Foto Bolle Festschrift 1961 nach Internetauszug

mit den Firma Linde und Diesel so weiterentwickelt, dass Frischmilch auch noch Frischmilch war als sie von den Dörfern aus 200 km Umkreis in Berlin ankamen. 1910 fuhren bereits 250 Milchwagen mit Kutscher und Milchmädchen von den Dörfern durch Berlins Straßen. Um die Jahrhundertwende fuhren Bolles erste Elektroautos durch Berlin. Deren Motoren liefen bis zu vier Stunden.

Milchmädchen und Milchmädchenrechnung

Die Milchmädchen auf den Bolle-Wagen hatten Berliner Schnauze und einen harten Job. Mit ihrem Mundwerk warben sie für Bolle-Milch. Da sie viel herumkamen, schnappten sie auch vieles auf, was hier und da geschah und gaben vor allem Klatsch und Tratsch weiter. Sie mussten die Pferde versorgen, die schweren Milchkannen schleppen, verkaufen und die Kleinstbeträge bei Fuhrmann abrechnen. Dieser wiederum rechnete dann in der betriebseigenen Kapelle ab.
Ob der Begriff Milchmädchenrechnung wegen der Kleinstbeträge aufgekommen ist oder vielmehr wegen der Abrechnungen durch ein Milchmädchen in Umlauf kam, sei nicht genau belegt so Bannasch.

2019 02 09 Bolle 04Dazu eine Fundstelle aus dem Internet:
In einer Festschrift von 1961, zitiert nach einem Artikel im Internet, ist dazu festgehalten: „Ein Milchmädchen Namens Anna Schnasing half beim Austragen und Kassieren. Leider war sie sehr schlecht im Kopfrechnen, und jeden Abend fehlte bei ihr einiges in der Kasse.
Enttäuscht ging sie für einen kurzen Urlaub nach Hause in den Spreewald. Als sie wieder ihre Arbeit aufnahm, war sie mit ihren Fingern so schnell beim Rechnen, dass sie keiner mehr reinlegen konnte. Ihre Rechnungen waren auf einmal alle richtig, aber keiner konnte es nachvollziehen, wie sie es machte.
Erst ein Privatdozent, der zu ihren Stammkunden gehörte, kam langsam dahinter und schrieb als Mathematiker später darüber ein Bericht mit der Überschrift ‚Algebraische Fingerfertigkeiten‘.”

Festschrift 1961 nach Internetauszug

Geheim und merkwürdig

Kurz vor seinem Tod wurde C. Bolle 1909 mit dem Titel Geheimer Kommerzienrat geehrt.
Geheim bedeute im eigentlichen Sinne nicht, das darf niemand anderes wissen, so Bannasch, sondern eher im Sinne, etwas positiv aufbewahren, was auch die Zielstellung von Geheimgesellschaften sei. So werde heute auch der Begriff „merkwürdig“ eher negativ gesehen, heiße aber im eigentlichen Sinne, des Merkens würdig.

Aus der anschließenden Gesprächsrunde

Personentransport mit Bolle-Wagen

In der an den Vortrag anschließenden Gesprächsrunde erwähnte Gudrun Haase einen Brief ihres Großonkels, der belegt, dass die Bolle-Wagen auch in Zossen Milch holten. Zu einer Zeit als Zossen noch nicht an die Eisenbahn angeschlossen war, wollte demnach ihr Großonkel mit seiner kleinen Schwester von Anhalter Bahnhof mit einem Bolle-Wagen nach Zossen mitfahren. Das Gepäck sei schon verladen gewesen, als die kleine Schwester nochmal musste. Schließlich fuhr der Bolle-Wagen ohne sie ab, da er überall auch pünktlich erscheinen musste, damit die Milch auch frisch auf den Berliner Markt kam.
So mussten Großonkel und dessen Schwester sich zuFfuß auf den Weg machen.

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Dankeschön Karl-Heinz Bannasch, bis zum nächsten Jahr, Arbeitstitel: "Wie Berlin Großgemeinde wurde".

Text und Farbfotos: Dr. Rainer Reinecke

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