Von einem Bilder-Vortrag im „Alten Krug“ am 19.Oktober 2024
Die Reise beginnt am Bahnhof. Gerade haben wir das Gebäude verlassen, schauen zurück auf das Haus und in die Vergangenheit. Wir befinden uns zunächst in den 70ern. Karola Andrae, in Zossen aufgewachsen und Dagebliebene, aktive Zossener Bürgerin, kennt jedes Haus, jeden Weg und so manche Geschichte, z. B. über Gerüchte und Dreharbeiten in der Bahnhofstraße. Sie führt uns zunächst in die Stubenrauchstraße und dann in die Bahnhofstraße stadteinwärts. Dazu nutzt sie alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die der Heimatverein vor einigen Jahren zur Verfügung gestellt bekam. Lange hatte sich niemand für den Rückblick interessiert. Das war die Zeit, aus der alle heraus wollten, nach vorn drängten. Nun aber, fast 50 Jahre später, weckt es unser Interesse. Wir sind eine 36-Personen-Gruppe, Ältere und Jüngere, Einheimische und Zugezogene, die sich virtuell auf den Weg macht. Einige kennen die alten Häuser, die inzwischen längst der Umgehungsstraße gewichen sind, gar nicht mehr. Was war denn da in der Luckenwalder Straße los? Mein Blick bleibt auf dem Kirchplatz hängen. An die Hecken, die dort einmal standen, kann ich mich nicht mehr erinnern. Wann wurde das denn verändert? Am Tag zuvor haben wir hier gerade eine weitere Veränderung vorgenommen und dort das Burgrelief enthüllt. Drastische Änderungen gab es auch am Kietz. Die Verkehrsführung dort wurde geändert. Daran erinnere ich mich deutlich. Ein Schulfreund von mir war einer der Verkehrsarchitekten, die mit der Umsetzung beauftragt waren. Wir hatten uns lange nicht gesehen. Am Gericht wurde in den 80ern das Café Sieben Linden eröffnet. Die Linden waren dafür jedoch gefällt worden. In diesem Café saß ich am 9.11.1989 abends bei einer Frauenveranstaltung, als die Mauer geöffnet worden war und sich die Nachricht darüber wie ein Lauffeuer verbreitete. Inzwischen ist es ein italienisches Restaurant. Jemand neben mir sagt, das Amtsgericht sei ein imposantes altes Gebäude. Ja, aber früher war das Amtsgericht in der alten Post am Marktplatz, denke ich. Das Krankenhaus, bis kurz nach der Wende in Betrieb, steht noch immer leer. Na ja, auch auf dem Gelände tut sich was.
Jetzt sind wir im Wiesengrund angekommen. Die Ruine des ehemaligen Zementwerkes - neben dem alten Brennofen steht heute mein Haus. Ein leises Juchzen. So habe ich es noch nie gesehen. Seit 1980 erst wohne ich in Zossen und seit 2001 steht dort mein Haus. Das Bild möchte ich haben!
Der Überbringer eines Teiles der alten Aufnahmen ist auch im Raum. Er bekennt sich. Wir sind ihm dankbar.
Der Ausflug hat sich gelohnt. Zossen ist jetzt viel farbenfroher geworden. Mit schönen Eindrücken, einem Glücksgefühl und gefülltem Bauch, es gab wie immer Kaffee und Kuchen, gehe ich nach Haus. Schade, dass ich nicht mehr schauen kann, welche Veränderungen Zossen in weiteren 50 Jahren zu bieten hat. Gerade sind wir wieder auf dem Weg, mehr Nachhaltigkeit in unser Leben hineinzudenken. Hmh!
Ilse Ryczewski